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Gerechtigkeit


Politik bei Aristoteles

Ethik ist bei Aristoteles wie bei jeden konsequenten Philosophen in die Gesellschaft und ihre Verfassung eingebunden, letztlich hat sie eine politische Dimension, denn völlig isoliert lebende Menschen bedürfen keiner ethischen Tugend.

Gleichheit und Ungleichheit in der politischen Theorie von Aristoteles: die Aporie der Demokratie

In der Literatur wird immer wieder das Bestehen von Aristoteles auf der Ungleichheit der Bürger betont – meist allerdings, ohne die Gründe zu nennen. In seiner „Politeia“ will Aristoteles ähnlich wie Platon einen idealen Staat entwickeln, der beständig ist und aus den bestehenden Verfassungen die beste politische Form entwickelt hat. Zweck der Polis als Gemeinschaft der freien Bürger (Pol. 90) ist nach Aristoteles das gute Leben, d. h. das tugendhafte und glückselige Leben, das ein sich selbst genügendes Dasein ist (Pol. S. 96). Das setzt nach dem Ideal des Aristoteles voraus, dass in der Polis die Tugendhaften, Klugen und Wissenden herrschen sollen. Die „Banausen“, also Handwerker, auch Gewerbetreibende und Tagelöhner würden dann von der politischen Herrschaft ausgeschlossen sein (Pol. S. 85 f.) (von den Sklaven wird hier von mir zunächst abstrahiert), weil diese Gruppe von Menschen keine oder wenig Muße hat, sich das notwendige Wissen anzueignen, und keine Gelegenheit hat, die politischen Tugenden einzuüben.
Diese Einsicht veranlasst Aristoteles, die Demokratie zu kritisieren. Sie unterliegt folgender Aporie: Alle Bürger sind zu allen politischen Ämtern zugelassen und dürfen in der Volksversammlung, das höchste Organ der Polis, über alle Themen abstimmen. Aber Bauern, Handwerker und Händler müssen ihre ganze Zeit darauf verwenden, ihren Lebensunterhalt zu sichern, sie haben also keine Muße, um sich politisch zu qualifizieren, um die Tugend der Gerechtigkeit einzuüben. Das hat zur Folge, da sie die Mehrheit bilden, dass unvernünftige Beschlüsse und Gesetze zustande kommen oder doch permanent die Möglichkeit dazu besteht. Die Konsequenz, die Aristoteles aus dieser Aporie der Demokratie zieht, ist: Nur die Bürger, die nicht ihren Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen müssen, die also von der Sklavenproduktion leben und deshalb Muße für Politik haben, dürfen an der politischen Herrschaft beteiligt sein.
Schließt man aber diese Mehrheit der Freien (ob Bürger oder nicht) von der Partizipation der politischen Herrschaft aus, dann „muß notwendig der ganze Staat (die Polis, B. G.) von Feinden sein“, also ein permanenter Grund zum Bürgerkrieg (stasis) bestehen. „Überall nämlich entsteht der Aufruhr wegen der Ungleichheit“ (Pol., S. 167/1301 b, 26). Beteiligt man aber die unteren Schichten als Bürger an der politischen Macht, dann entsteht die Ungereimtheit, „daß die Schlechten über die wichtigen Dinge Herr sein sollen als die Guten“ (Pol., S. 100).

Politie

Dieser Aporie will die „Politie“ entgehen. Neben den bereits genannten vernünftigen Bestimmungen der Polis gelten insbesondere die folgenden für die Politie:
Die rechtliche Voraussetzung der Einheit der Polis ist die Verfassung. Nur das Recht garantiert die Freiheit der Bürger (Pol., S. 195).
„Die Verfassung ist jene Ordnung für Staaten, die sich auf die Magistraturen bezieht, die Art ihrer Verteilung regelt und bestimmt, welches der herrschende Faktor im Staat und welches Ziel der jeweiligen politischen Gemeinschaft ist; die Gesetze aber sind es, die, gesondert von jenen Verfassungsbestimmungen, die Norm abgeben, nach der die Regierenden regieren und den Übertretern wehren sollen.“ (Pol., S. 125)
Das Ziel der Verfassung, ihre oberster Staatszweck, ist es, die ethischen Tugenden der Bürger zu fördern und so vielen wie möglich in der Bürgerschaft Muße zu ermöglichen, um glückselig zu sein, d. h. ein „Leben nach dem Geiste zu ermöglichen“ (Pol. Anm. S, 331 f.), also ihre dianoethischen Tugenden zu betätigen. Die Muße, also freie Zeit, ist dabei „der Angelpunkt, um den sich alles dreht“ (S. 285).
Als soziale Basis der Politie als beste aller möglichen Verfassungen sollte der Mittelstand oder die mittlere Klasse gelten, also die Bürger, die nicht selbst ihre ganze Zeit zur Existenzsicherung benötigen. „Denn zur Entwicklung der Tugend wie zur Ausübung staatsmännischer Tätigkeit bedarf es der Muße.“ (Pol., S. 255) Und über den „Mittelstand“ sagt Aristoteles:
„Es liegt mithin amtage, daß auch die Gemeinschaft, die sich auf den Mittelstand gründet, die beste ist, und daß solche Staaten sich in der Möglichkeit befinden, eine gute Verfassung zu haben, in denen eben der Mittelstand zahlreich vertreten ist und womöglich die beiden anderen Klassen, oder doch eine von ihnen an Stärke übertrifft. Denn auf welche Seite er sich wirft, nach der gibt er den Ausschlag und verhindert das Aufkommen der entgegengesetzten Extreme. Daher ist es das größte Glück, wenn die Bürger eines Staates ein mittleres und ausreichendes Vermögen haben, weil da, wo die einen sehr viel besitzen und die anderen nichts, wegen dieses beiderseitigen Übermaßes entweder die extremste Demokratie oder reine, ungemischte Oligarchie oder Tyrannis entsteht.“ (Pol., S. 146 f.)
Der Mittelstand sollte die Mehrheit der Bürger ausmachen, nach der Regel, dass das Mittlere immer besser ist als die Extreme, hier reich und arm. Entsprechend sollte es einen zweifachen Zensus geben: Die dem niederen Zensus unterliegen, haben ein Anrecht auf notwendige Ämter, die dem höheren Zensus unterliegen, haben ein Anrecht auf die wichtigeren Ämter. Der Grund für diese Zweiteilung liegt nach Aristoteles in der Möglichkeit, durch größere Muße seine politischen Tugenden zu schulen. Nichtsdestotrotz haben auch die Bürger politische Rechte, die keinem Zensus unterliegen, sie können z. B. in der Volksversammlung Gesetze ablehnen, die ihnen der Magistrat vorgelegt hat. (4) Es sollten die Gesetze herrschen (Pol., S. 116) und entsprechend die Vertreter des Gesetzes öfter wechseln (Pol., S. 267), damit viele Anteil an den Staatsgeschäften haben.
Auf Grund der Aufwertung der einfachen Bürger durch ihre Beteiligung am Seekrieg der Athener sagt Aristoteles: Die Politie ist „eine kriegerische Menge, die nach einem Gesetze, das die Staatsämter Reichen nur nach Würdigkeit zuteilt, gleich gut gehorchen und zu befehlen weiß“ (Pol., S. 119) Als Kriterium einer guten Verfassung erweist sich, „daß überhaupt keine Klasse des Staates eine andere Verfassung auch nur verlangt“ (Pol., S. 143)

Nun gab es in der demokratischen Polis Athen zwar Maßnahmen, die oben von Aristoteles aufgestellte Aporie der Demokratie zu mildern, ich erinnere nur an die Diäten, die es den am Existenzminimum lebenden Banausen u. a. ermöglichen sollte, an der Volksversammlung und den Gerichten teilzunehmen, aber trotz eines gewissen politischen Verständnisses der Massen hat diese Aporie im Peloponnesichen Krieg zu abenteuerlichen Entscheidungen, ungerechten Anklagen und chaotischen Zuständen geführt, die völlig unvernünftig waren. (Auch das spätere Urteil gegen Sokrates ist hier zu erwähnen.)
Dem könnte man entgegenhalten, dass alle Menschen von Natur den Trieb zur Gemeinschaft haben, aber den (Klein-)Bauern, Handwerkern, Händlern (und schließlich auch den Sklaven) wird dieser Trieb abgesprochen oder unzulässig auf die Familie beschränkt. Das Argument, sie hätten keine Muße und deshalb auch keine Bildung heißt noch nicht, dass sie ihre Interessen nicht zu artikulieren wüssten oder Sprecher für sie finden könnten. Im Übrigen gibt es in der antagonistischen Gesellschaft der Polis und der Konkurrenz der Poleis untereinander so viele Unwägbarkeiten, dass die Entscheidung, was eine vernünftige Politik ist, gar nicht immer gefällt werden kann. Wer sagt denn, dass die kluge und gebildete Aristokratie oder ein Philosophenkönig die richtige Entscheidung fällt? So war die Polis Athen im Peloponnesischen Krieg objektiven Zwängen ausgesetzt, die ständig zum Krieg zwangen, wenn man nicht wieder zu einer unbedeutenden Regionalmacht herabsinken wollte (vgl. Meyer: Athen, S. 601 ff.), und sogar zu Gewaltexzessen gegen die Zivilbevölkerung anderer Poleis führten. Letztlich drückt sich in dem Staatsideal von Platon und Aristoteles die historische Schranke der antiken politischen Philosophie aus.
Diese Aporie, die Aristoteles an der Demokratie kritisiert, ist auf dem Boden einer herrschaftlich verfassten Gesellschaft nicht lösbar. Sie verweist auf die Aporie der politischen Theorie von Aristoteles selbst:
Er will eine ideale auf Vernunft basierende realistische Verfassung für eine antagonistische Gesellschaft entwerfen, indem er den Antagonismus zwischen Sklaven und Herrn, Armen und Reichen sowie den Konflikt innerhalb der Reichen um den Anteil am Mehrprodukt und den zwischen den Poleis rechtfertigt, ein Antagonismus, der jede ideale auf Vernunft basierende Verfassung unterminieren muss, jede Verfassung graduell als unvernünftig erweist. (Vgl. Pol., S. 99) Dies ist der Knoten in der Sache, der auch durch Billigkeit oder andere Ausgleichsmaßnahmen nicht behoben werden kann. Diese Aporie der politischen Theorie des Aristoteles war auf dem Boden der antiken Gesellschaft nicht lösbar. Krass zeigt sich dies an der Sklaverei.

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Die soziale Wirklichkeit und die Sklaverei

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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Letzte Aktualisierung:  02.10.2014

                                                                       
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